4. März 2015

Im Profil: Der Musiker Max Punstein
Mit 17 Jahren hatte Max Punstein einen regelrechten „Schlagzeug-Flash“. Das Instrument wurde zu seiner Leidenschaft und gab den Anstoß für seine Entscheidung, Berufsmusiker zu werden. Nach Studium und Lehrauftrag an der Musikhochschule in Saarbrücken ist der 27-Jährige vor zwei Jahren nach Potsdam gezogen und hat hier mit der Veranstaltungsreihe „JazzTime in Babelsberg“ die Jazzszene ordentlich aufgemischt. Kreatives Brandenburg hat mit Max Punstein über das Leben als Musiker, die Faszination des Schlagzeugs und Jazz in Potsdam gesprochen.
Interview: Bianca Loschinsky
Hallo Max, Du bist gerade zurück von einer Tour mit der MAX PUNSTEIN GROUP. In welchen Orten habt Ihr gespielt?
Vor allem in meiner ehemaligen Heimat in Süddeutschland. Wir waren in der Pfalz, im Saarland und in Baden-Württemberg unterwegs.
Wer genau ist die MAX PUNSTEIN GROUP?
Das ist ein Jazz-Projekt von mir. Ich habe in Saarbrücken an der Musikhochschule studiert, und mein Abschlusskonzert dort war der Anlass, die Band zu gründen. Wenige Tage vor dem Konzert haben wir noch das Live-Album „contrasty“ aufgenommen, das in der Fachpresse toll besprochen wurde und jetzt auch mit dem Brandenburgischen Kunstförderpreis ausgezeichnet wurde.
Die Band-Mitglieder kommen also alle aus Süddeutschland?
Ja, die Musiker, die auf dem Album zu hören sind, kommen alle aus Saarbrücken. Aber inzwischen habe ich auch in Potsdam und Berlin tolle Musiker kennen gelernt, unter anderem über „JazzTime in Babelsberg“.
Spielst Du noch in anderen Formationen oder Bands?
Ja, auf jeden Fall. Die MAX PUNSTEIN GROUP ist aber mein Jazzprojekt, mit der wir auch viele Eigenkompositionen von mir spielen. Aber es ist auch sehr spartenübergreifend – viel Grunge, Rock… 
Obwohl Du noch sehr jung bist, Du bist erst 27, bist du bereits ein alter Hase im Jazz. Wieso hast Du Dich für diese Musikrichtung entschieden?
Ich mache schon auch sehr viel andere Musik, nicht nur Jazz. Ich spiele zum Beispiel mit einer Schweizer Singer-Songwriterin zusammen. Das ist dann eher Pop-Rock. Ich habe eine Soul-R’n’B-Band, in der natürlich auch Jazz-Einflüsse drin sind.
Jazz finde ich vor allem spannend, weil es eine extrem freie Musik ist. Da scheint alles möglich, es gibt sehr viel Kommunikation und Interaktion. Es wird improvisiert... Man kann denselben Titel jeden Abend anders spielen auf ganz unterschiedliche Arten.
Du bist mit Musik groß geworden. Deine Eltern sind Berufsmusiker und auch Deine Geschwister machen Musik.
Mein älterer Bruder ist Pianist und hat Jazz studiert, meine jüngere Schwester studiert Musik mit Hauptfach Cello, und mein jüngerer Bruder macht auch viel Musik. Wir sind also eine musikalische Familie. Mein Vater ist Musikschulleiter in Kaiserslautern, meine Mutter ist Konzertpianistin. Musik war immer da, wir sind damit aufgewachsen. Es war für uns Kinder ganz selbstverständlich, auch Musik zu machen. Unsere Eltern haben allerdings nie Druck ausgeübt, dass wir erfolgreich sein müssen oder sogar Musik studieren sollten. Es war einfach natürlicher Bestandteil unseres Alltags. Und jetzt machen wir es alle aus Leidenschaft.
Du hast zunächst Klavier und Trompete gespielt. Wie kamst Du zum Schlagzeug?
Ich habe mit dem Klavierspielen bei meiner Mutter angefangen, dann Trompete bis ich 17 war – in verschiedensten Formationen, sowohl Klassik als auch Jazz. Das hat mir sehr viel Spaß gemacht, und ich habe unheimlich viel gelernt. Aber immer, wenn ich in Bands gespielt habe oder auf Konzerten war, hat mich das Schlagzeug fasziniert. Diese heimliche Leidenschaft haben meine Eltern auch mitbekommen. Sie haben mir eine Probestunde bei dem Schlagzeuger Roland Weimer organisiert – und von einem Tag auf den anderen habe ich mich sehr intensiv nur noch mit dem Schlagzeug beschäftigt.
Mit 17 hast Du recht spät mit diesem Instrument begonnen?
Ja, viele beginnen früher. Aber ich habe natürlich nicht von Null angefangen. Ich war ja schon total drin in der Musik. An der Schlagtechnik zum Beispiel musste ich natürlich schnell viel nachholen. Aber da habe ich jeden Tag stundenlang geübt, das mache ich übrigens immer noch.
Das Schlagzeug passt wirklich zu mir, weil es ein sehr vielfältiges Instrument ist. Ich bin sehr interessiert an unterschiedlichen Musikstilen, und in praktisch jeder Stilistik kommt das Schlagzeug irgendwie vor. Und zudem werden beim Schlagzeugspielen Kopf und Körper komplett gefordert. Da werden Urinstinkte geweckt. Die Trommel ist so etwas Natürliches, das geht direkt in den Bauch.
Mit anderen Instrumenten hast Du Dich nicht mehr beschäftigt?
In meinem Studium hatte ich neben meinem Hauptinstrument – dem Schlagzeug – auch noch Jazz-Piano und Jazz-Vibraphon. Gerade zum Komponieren spiele ich noch viel Klavier.
Musst Du Dich als Schlagzeuger besonders fit halten?
Wenn man viel Schlagzeug spielt oder auf Tour ist, hält das ja schon fit. Es gibt tatsächlich Studien, die sagen, dass Rockdrummer eine ähnliche Kondition hätten wie Fußballer in der Premier League. Ich mache auf jeden Fall viel Sport – als Hobby und zum Ausgleich. Aber ich würde jetzt nicht sagen, dass das eine Grundvoraussetzung fürs Schlagzeugspielen ist.
Wolltest Du das Musizieren schon immer zu Deinem Beruf machen?
Nein, da gab es eigentlich den gleichen Wendepunkt wie mit dem Schlagzeug. Bis ich 17 war, war die Musik ein sehr leidenschaftliches und intensives Hobby. Aber ich habe auch zum Beispiel viel Sport gemacht, bin einen Marathon gelaufen. Musik zu meinem Beruf zu machen, hatte ich zunächst nicht vor. Ich habe mich auch für viele andere Sachen interessiert: Medizin, Psychologie, Biologie… Mit dem Beginn der Leidenschaft für das Schlagzeug, weil mich das einfach so gepackt hat, war der Berufswunsch jedoch ziemlich schnell klar.
Würde es für Dich eine Alternative zum Beruf des Musikers geben?
Wenn ich aus irgendwelchen Gründen, zum Beispiel wegen einer Verletzung, keine Musik mehr machen könnte, würde ich bestimmt Alternativen finden. Aber freiwillig würde ich das nicht aufgeben!
Kannst Du davon leben? Oder hast Du noch andere Standbeine?
Ich kann zurzeit wirklich sehr gut davon leben. Es ist eine Mischung aus Livespielen und Unterrichten, wie an der Städtischen Musikschule in Potsdam. Ich kann mich wirklich nicht beschweren. Aber als Musiker ist man dafür auch ein gutes Stück selbst verantwortlich. Einige Musiker haben diese Idee, dass sie bestimmt irgendwann entdeckt werden, groß rauskommen und dann richtig viel Geld verdienen. Aber das funktioniert nur in ganz wenigen Fällen.
Ein Problem, was ich gerade in Berlin erlebe, sind die Gagen für Musiker. Der Markt ist dort wirklich kaputt. Ich habe mit unglaublich tollen Profimusikern zusammen gespielt, die mir erzählt haben, dass sie oft für fast nichts spielen. Das ist traurig. Aber da sind nicht immer nur die Veranstalter verantwortlich. Wenn man als Musiker anfängt, für ungerechtfertigte Gagen zu spielen, wird es irgendwann schwierig davon zu leben.
Es gab zum Beispiel in Stuttgart mal eine Absprache unter Profi-Trompetern, dass keiner unter einer bestimmten Gage spielt. Und das hat funktioniert. Da fehlt vielleicht noch ein bisschen Aufklärung. Wenn ich selbst um Gagen verhandele, ist vielen scheinbar zunächst nicht bewusst, dass man davon lebt und dass die Gagen das Einkommen sind. Die Gage ist ja nicht nur für das Konzert selbst. Man muss das Equipment finanzieren, man hat Proben vor dem Konzert, die Anfahrt, jahrelanges Üben…Ich denke, man muss noch mehr Bewusstsein für den Wert von Kunst und Kultur schaffen.
Auch die Jazzszene in Potsdam hast Du inzwischen, obwohl Du noch nicht lange hier lebst, gleich aufgemischt. Du hast gemeinsam mit der Jazzinitiative Potsdam die Reihe „JazzTime in Babelsberg“ ins Leben gerufen. Wie kommt die Konzertreihe an?
Sie kommt zum Glück bis jetzt unglaublich gut an. Die Veranstaltungen der Reihe sind fast immer ausverkauft. Als ich vor zwei Jahren nach Potsdam gezogen bin, wusste ich natürlich, dass es in Berlin unheimliche viele Sessions gibt, wo man spielen und Musiker kennen lernen kann. In Potsdam habe ich zunächst nichts gefunden. Dann habe ich die Jazzinitiative entdeckt, die vor zehn Jahren von Jürgen Börner gegründet wurde. Jürgen Börner, der leider im Herbst verstorben ist, hatte mich mit dem Kulturhaus Babelsberg in Kontakt gebracht.
Im März vor einem Jahr sind wir dann mit der monatlichen Reihe „JazzTime in Babelsberg“ gestartet. Im ersten Teil gibt es ein Konzert, in dem wir interessante Künstler aus der Region als Special Guests einladen. Im zweiten Teil gibt es eine Session mit dem Gedanken, eine Anlaufstelle zu schaffen, wo Musiker ins Gespräch kommen und sich vernetzen können. Kooperation und Vernetzung sehe ich immer als das A und O in der Kulturszene. Und am 19. März geht es nach der Winterpause wieder los mit „JazzTime in Babelsberg“. Dann ist Paul Brody, ein amerikanischer Trompeter, der inzwischen in Berlin lebt, zu Gast.
Werden immer Musiker aus der Region eingeladen?
Es gibt eine „Hausband“, da spielen zum Beispiel der Pianist Nicolas Schulze und Roberto Badoglio am Bass mit. Und dazu laden wir dann einen Special Guest ein.
Fast zeitgleich mit „JazzTime in Babelsberg“ wurde noch eine Jazzinitiative ins Leben gerufen - „Jazz Lab“ in der fabrik Potsdam von Nicolas Schulze und Oliver Fröhlich. Mit denen kooperieren wir auch. Ich habe das Gefühl, es kommt allmählich ein frischer Wind auf. Wir haben hier zwar die Nähe zu Berlin mit dieser unglaublichen Kulturvielfalt, aber es ist auch für Potsdam wichtig, dass man in der Stadt nicht nur in Ruhe wohnen kann, sondern dass auch Platz ist für Kreativität, für Künstler und Kultur. Es gibt hier wirklich Potenzial, nicht nur in der Musik, auch in anderen kreativen Bereichen. Viele spannende Künstler.
Du kommst ursprünglich aus Otterberg bei Kaiserslautern, hast in Saarbrücken studiert und dort auch einen Lehrauftrag für Jazzschlagzeug inne gehabt. Was hat Dich nach Brandenburg gezogen?
In Süddeutschland war ich super vernetzt. Im Grunde war alles perfekt, aber ich wollte mich noch weiter entwickeln und einfach über den Tellerrand hinausschauen. Da ist innerhalb Deutschlands Berlin schon ein Anziehungspunkt. Und hier in Potsdam kann man wunderschön wohnen, mit der Natur und den vielen Seen vor Ort. Und mit der Bahn bin ich sehr schnell mitten in Berlin. Dort macht es aber keinen Sinn noch die 5000. Jamsession zu initiieren. In Potsdam kann man dagegen noch viel gestalten und sich einbringen.
Welchen Eindruck hast Du von der Musikszene in Brandenburg?
Es gibt spannende Künstler, tolle Bands und interessante Projekte. Es fehlt hier allerdings die Vernetzung und damit eine gewisse Präsenz in der Öffentlichkeit. Es müsste noch mehr Kooperationen geben. Das scheitert oft daran, dass die Künstler selbst in ihrer Arbeit sehr eingebunden und beschäftigt sind. Ich wünsche mir noch mehr Künstler, die sich in einer solchen Initiative engagieren. Einzelkämpfer sind selten erfolgreich. Aber auch die Kulturpolitik kann das unterstützen, indem sie Mittel für solche Initiativen bereitstellt.
Kürzlich hast Du den Brandenburgischen Kunstförderpreis des Landes Brandenburg erhalten. Welches Projekt willst Du damit umsetzen?
Damit wird eine weitere Albumproduktion umgesetzt - in Kooperation mit „JazzTime in Babelsberg“. So kann vielleicht auch zumindest ein kleiner Ausschnitt der aktuellen lokalen Jazzszene eingefangen werden.
Gerade im Musikbereich gibt es immer mehr Künstler, die ihre Alben über Crowdfunding finanzieren. Kommt das für Dich auch in Betracht?
Das ist auf jeden Fall eine tolle Möglichkeit, da eine Albumproduktion extrem teuer ist, wenn man sie professionell und in entsprechender Qualität machen will.
Wann kann man Dich wieder hier in Potsdam erleben?
Da empfehle ich auf jeden Fall den 19. März im Kulturhaus Babelsberg, wenn wir bei JazzTime in Babelsberg wieder loslegen zusammen mit dem Trompeter Paul Brody! Da freue ich mich schon sehr drauf, Paul Brody ist wirklich genial!